2010/01/06

Kōzushima

Seit gestern abend bin ich von meinen Kurztrip auf die Insel Kōzu zurück. Dort hab ich eine ganz andere Seite von Japan kennen gelernt. Ich war zwar nur einen Tag dort, aber mir hats echt gut gefallen <3 Am Sonntag Abend hab ich mich mit Saeko in Takeshiba getroffen, von wo unsere Fähre gestartet ist. In der Wartehalle des Fährenhafens waren abgesehen von uns hauptsächlich Familien von den Izu-Inseln (Kōzu ist eine dieser Inseln) die nach einem Kurztrip nach Tokyo auf dem Weg zu ihrer Heimatinsel waren und Oji-sans vollbekackt mit Angelzubehör und Eisboxen für den Fang :D. Saeko und ich fielen da echt ein bisschen aus dem Rahmen ;) Die Izuinsel sind zwar im Sommer ein recht beliebtes Urlaubsziel, im Winter aber hauptsächlich ein Ziel für Angler.
Um 10 Uhr Abendslegte die Fähre dann ab und die 12 stündige Nachfahrt zu den Inseln begann. Das lustige ist, dass man zwar von Tokyo aus mit dem Schiff 9 bis 12 Stunden nach Kōzu braucht, die Insel jedoch wie die anderen Izu-Insel auch verwaltungstechnisch zur Präfektur Tokyo gehört. Die erste halbe Stunde hatte man von der Fähre aus die Gelegenheit, das nächtliche Tokyo mal vom Wasser aus zu sehen. Saeko und ich standen exakt 32 Minuten in der Kälte un staunten über den Anblick des Tokyo Towers, der Rainbow Bridge und des Haneda Airports.
Nach ein bisschen japanischem Lesetraining im Fährenrestaurant (und einigen Anmachsprüchen vom Koch desselbigen) legten wir uns schlafen. Geschlafen wurde ganz japanese Style auf dem Boden und aus sonst lag mit dem Dröhnen der Motoren und dem lautstarken Geschnarche der Angler-Oji-sans im Raum nebenan nicht die perfekte Schlafsituation vor. Ich bin komischerweise trotzdem voll schnell eingeratzt. Die arme Saeko konnte aber so gut wie gar nicht schlafen. Ich bin irgendwann aufgewacht, als ich Saeko rascheln gehört hab. Es war 6 Uhr morgens, wir hatten Tokyo hinter uns gelassen und waren mitten auf dem Meer. Einem sehr unruhigen Meer. Sobald ich einigermaßen wach war und aufstand wurde mir einfach nur noch ultraschlecht xD. Saeko ging es ähnlich. Wir wankten (das Schiff hat wirklich extrem geschaukelt) ein Deck höher, um nach draußen zu gehen und etwas frische Luft zu schnappen. Auf dem Weg mussten wir uns aber mehrere Male hinsetzen und Pause machen, weil ich sonst garantiert gereiert hätte xD Nachdem wir draußen waren (bleiben konnten wir nicht...zu kalt und zu windig) ging es mir etwas besser...für ungefähr 5 Minuten. Ich wollte mich einfach nur wieder unten hinlegen (im Liegen und mit Schlafmaske auf dem Kopf war es mir schließlich gut gegangen)...aber soweit hab ichs nicht geschafft. Ich hab mich einfach nur noch auf irgendeinen Stuhl sacken lassen und hab mich ungefähr eine Stunde nicht dort wegbewegt, weil ich mir sicher war ich muss kotzen wenn ich aufstehe. Damit war ich aber weitem nicht die einzige. Überall um mich rum saßen andere extrem blasse Passagiere, und bei jedem größeren Schaukeln des Schiffes ging ein gequältes Stöhnen durch die Menge :D Irgendwann habs ichs dann wieder zu meinem Nachtlager gepackt und dann dort den Rest der Fahrt gepennt.
Sobald wir auf der Insel ankamen hab ich aber, so kitschig es sich anhört, sämtliche Strapazen der Überfahrt vergessen. Neben der Anlegestelle wunderschönes blaues Meer, weiße Felsen. Und das erste Mal seit Wochen richtig viele Bäume - und richtig wenige Menschen. Kōzu hat ungefähr 2000 Einwohner, nach Wochen nur in Tokyo eine Wohltat für meine Kreisstadtmädchenseele. Saeko und ich wurden von der Besitzerin der Pernsion in der wir übernachtet haben, einer quirrligen Frau, die total süß geredet und sich selbst als "Oba-san" bezeichnet hat, am Hafen abgeholt. Schon auf dem Weg zum Haus hat sie uns total viel über die Insel erzählt. Nach einer kurzen Ruhepause in der Pension hat uns "Oba-san" dann auf der Insel rumgeführt. Zuerst waren wir an einem Holzstegweg am Meer. Es war wirklich wunderschön dort. Die Farbe des Meers war genial (im Sommer kann man da anscheinend richtig gut tauchen) und außer ein paar Anglern auf einem Felsen im Meer gehörte der Anblick für diesen Augenblick uns allein. Unter der Führung Oba-sans sind wir dann zwischen die Felsen gekrackselt und haben Nori (die Algen die auch ums Sushi sind) fürs Abendessen geflückt, oder besser gesagt von den Steinen abgekrubbelt :D
Oba-san hat uns dann ne Weile allein gelassen. Wir sind am Wasser entlang bis zum nächsten Restaurant gelaufen, wo wir ein richtig leckeres Mittagessen hatten. Von dort aus gings weiter am Wasser entlang, vorbei an der beliebtesten Surfstelle der Insel, wo auch einiger Inselaner gerade am Surfen waren, Richtung Pension. Dort haben wir ein bisschen Pause gemacht und dann hat uns Obasan am Fuß des höchsten Berges der Insel (Tenjosan) abgesetzt und wir haben uns an den Aufstieg gemacht. War zwar richtig anstregend aber der Ausblick wars wert :)

Nach dem Auf- und wieder Abstieg gings dann zurück in die Pension, dort haben wir, so richtig japanisch geduscht + gebadet und dann gabs Abendessen. ... ... ... ... Sowas hab ich noch nicht erlebt! Oba-san hat eine ganze Reihe von Leckereien aufgetischt, ich wünschte ich hätte ein Foto gemacht. Allein die Suppe, in der eine ganze kleine Krabbe schwamm, wär echt ein Foto wert gewesen. Ansonsten gabs Sashimi, gebratenen Fisch, Muscheln, Tenpura, usw und so fort. Nach dem Essen sind wir dann noch mit Oba-san, ihrem Sohn (22), ihrer Cousine und ihrem Mann zusammen gesessen, haben gelabert und Bier und Sake getrunken. Diese Leute waren irgendwie ganz anders als die meisten Tokyoter. Irgendwie offener und viel weniger schüchtern im Umgang mit mir Ausländerin. Als Saeko und ich uns zum Schlafen verabschiedet hatten, hatte jede von uns die Hände voll mit inseleigenen Mandarinen und darüber hinaus eine Einladung, immer Sommer zurückzukommen und gegen Kost und Logis, sowie Surfunterricht vom Sohn in der Pension auszuhelfen.

Obwohl es in der Nacht geregnet hat wie aus Kübeln und geblitzt und gedonnert, als würde die Welt untergehen, hab ich die Nacht geschlafen wie ein Baby.
Eigentlich wollten Oba-san uns morgens, bevors wieder zurück nach Tokyo ging, noch ein bisschen rumführen, aber eine entfernte Verwandte von ihr ist gestorben (im Alter von 105 Jahren, was auf Kozu nicht ganz so ungewöhnlich zu sein scheint) und deswegen ist das leider ins Wasser gefallen. Dafür gabs aber ein richtig geiles Frühstück. Fisch, Misosuppe, Salat, Natto (obwohl ich das stehen gelassen hab xD), Joghurt, Obst und und und. Als Oba-san die Misosuppe gebracht hat, hat sie mir erstmal einen Schock verpasst. Sie hat auf etwas gezeigt, das in der Suppe schwamm und gesagt "Kore wa Kame no te". In dem Moment sind mir wahrscheinlich fast die Augen rausgefallen, denn Kame no te heißt nichts anderes als Schildkrötenfuß. Ich hab leicht verstört in die Suppenschale geschaut, und was darin herumschwamm sah auf dem ersten Blick auch tatsächlich aus wie der Fuß einer Schildkröte. Schock. Auf dem zweiten Blick wurd mir aber klar, dass es sich lediglich um eine Muschelsorte handelte, die fast genauso aussah wie der Fuß einer Schildkröte ;D. Der Rückweg nach Tokyo verlief ereignislos. Wir haben beide extrem viel geschlafen, Pommes aus dem Automaten gefuttert und darüber geredet, dass wir irgendwann im Sommer zurückkommen wollen.

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